Königliches Haupt - oder wie ich zur schrecklichsten Frisur meines Lebens kam

Königliches Haupt - oder wie ich zur schrecklichsten Frisur meines Lebens kam

Arge Frisuren, liebe Leser, ja solche hatte ich schon einige. (Komisch, dass man dies erst immer weit im Nachhinein feststellt...Anmerkung der Redaktion, äh Textverfasserin) Dieses Phänomen fing bereits als Kind an, schlängelte sich durch meine Teenie-Zeit und gipfelte wohl am heutigen Tag. Seit langem kaum Sonne, der Winter wollte nicht weichen, da kam mir die glorreiche Idee einer kurzfristigen temporären Frisurenveränderung. Ich hatte meinen Sleek-Look satt, und stapfte zielstrebig und voller Energie zum Frisör meines Vertrauens. Wie immer herrschte dort eine lebendige Geschäftigkeit, die einen Hauch von Erfolg und Luxus verströmte, und auf jeden, der sich dort einfand, übertrug.

Ich hatte keinen Termin, (wie meistens) jedoch das unerhörte Glück, dass in diesem Promi-Laden tatsächlich für mich(!) noch Platz war. Ich freute mich und konnte mein Glück kaum fassen...

Meine Frisörin war beschäftigt, eine Kollegin hatte jedoch Zeit. Man nahm mir Jacke und Mütze ab und platzierte mich. Wie wohl jede Frau war ich mit der Beschaffenheit meiner Haare unzufrieden und wollte das Gegenteil. Locken, ja das wär’s. Keine Dauerwelle oder so, nein irgendwas auf die Schnelle, das unkompliziert mit Lockenstab oder Eisen bewerkstelligt werden konnte. In diesem Augenblick hetzte der Inhaber des Ladens vorbei und ich erhaschte einen kurzen Blick auf sein Haupt. Mittellange Naturlocken, au ja, genau so wär‘s toll!

Die Frisörin nahm schnell das Zepter in die Hand und hielt mir einen Vortrag zu platten, fettigen Haaren und empfahl mir ausschweifend die Lösung dafür. (Fettige Haare habe ich eigentlich keine, die Mütze trug heute aber dazu bei) Das Haar muss griffiger werden, dann wirkt es fülliger. Sie nahm einen Filzer und malte ein Haar auf den Spiegel, das wie ein Dorn aussah. Da wurde von molekularer Veränderung erzählt, eine andere Farbe wäre eine Lösung, Spezialshampoo wäre eine Idee und schlussendlich empfahl sie mir einen neuen Schnitt. Ich wurde kurzerhand meiner Wünsche entmündigt und in ihre allumfassende, unfehlbare Obrigkeit überführt.

Locken, bitteschön! Ich wollte einfach nur Locken, verflucht!!!!

Nun kam Bewegung in die Angelegenheit. Der Lehrling, welcher seit geraumer Zeit träge mit verschränkten Armen an der Wand lehnte und aus müden Augen das Tagesgeschehen beobachtete, wurde endlich aus seiner passiven Starre gerissen und vom Chef zur Bewegung genötigt. Im Zeitlupen-Tempo und schlurfendem Schritt rollte es (er oder sie, mein Auge konnte immer noch nicht ausmachen, um was es sich bei diesem Individuum handelte) ein Rollgestell voller Lockenwickler heran, solche, die ohne Klammern von selbst im Haar hielten. Die Dinger waren rasch im Haar, hoffentlich auch, die ganze Prozedur dauerte eh schon länger als erwartet, und endlich kam ich unter die „Haube“. Der Apparat war brandneu, toll eigentlich, keiner wusste ihn jedoch zu bedienen und ich durfte die Probandin spielen...“The First Head“, sozusagen.

Das Heissgebläse wurde gestartet und man versorgte mich mit Heften, Espresso und Wasser. Inzwischen war meine Euphorie erloschen und leise Zweifel beschlichen mich. Ich sah mich um, entdeckte prompt eine wunderschöne, junge Frau mit pechschwarzem langem Haar. Dass es lockig war, muss ich wohl nicht erwähnen. Ich sass da und besah kritisch mein Haupt. Mensch, wie ich aussah, wirklich furchtbar mit diesen Dingern auf dem Kopf. Inzwischen heizte die Haube so richtig auf, meine Ohren und wohl auch meine Blicke wurden immer heisser und feuriger. Dies war wohl auch dem schwer beschäftigten Geschäftsinhaber aufgefallen, denn er schaffte es gerade noch das Ungetüm wegzuhieven, bevor der Funke übersprang und mir endgültig der Kopf anbrannte. „Das Gerät ist neu, erst gestern eingetroffen, man wisse halt noch nicht so genau darüber Bescheid.“, erklärte er mit schiefem Grinsen. Ach so, ja dann, dachte ich mir grimmig und betastete meine glühenden Ohren. Mit kurzer, ruppiger Bewegung riss er mir einen Wickler vom Kopf um betrübt festzustellen, dass mein Haar immer noch nass ist. Aha.... Der Apparat wurde aufs Neue befingert, diesmal kriegte ich minutenlang kalten Wind auf den Schädel geblasen. Nach zig Minuten weiterer Warterei, immer noch nicht trocken, war ja klar..., mein Haar schien aber wirklich kompliziert. Nun gab’s wieder die volle Dröhnung mit gefühlten höllischen 300 Grad!... und irgendwann, ich weiss nicht mehr wie lange ich schlaff im Stuhl hing, erlosch die Feuerbrunst mit einem krachenden Donnerschlag. Es war soweit.

Endlich erblickte ich das Ergebnis meines Leidens.

Was mich da im Spiegel ansah, war nicht ich, sondern ein Dödel mit Perücke. Eine Parodie wie aus einem schlechten Film. Ein mordsmässig aufgebauschter Mopp, König Ludwig XIV wäre verzückt, endlich hatte ich eine aristokratische Frisur.

Ich schlug instinktiv die Hand vor den Mund um nicht laut aufzuschreien. Nach über zwei Stunden auf diesem einst so begehrten Stuhl war mein Entsetzen allgegenwärtig, da nützte mir auch der mitfühlende Blick meiner Sitznachbarin nichts, die ich in diesem Moment auch noch als eine meiner Kundinnen erkannte. Ich wollte nur noch nach Hause. Mit hochgezogenen Augenbrauen und gekräuselten Lippen schlug die Frisörin immerhin die Bezahlung aus. Sie fühlte sich offensichtlich in ihrer beruflichen Ehre gekränkt und meinte erhaben: „Wenn es Ihnen nicht gefällt, brauchen Sie es auch nicht zu zahlen“, so ihr schnippischer Kommentar. Auch recht. Sie begleitete mich mit einer Mischung aus antrainierter Höflichkeit und Frust zum Ausgang, und verabschiedete mich ironisch mit den Worten, dass ich einen Frisör finden möge, der es mir recht machen könne. Genau! Ich stülpte meine Wollmütze über und eilte nach Hause...

Nach diesem unerfreulichen Erlebnis ging ich in den Weinkeller und suchte mir eine Flasche Morca heraus. Ich gönnte mir ein Glas dieses wunderbaren Spaniers und genoss die üppige Fülle, überliess mich dem saftigen Schmelz und liess mich von den vielfältigen Aromen bezirzen. Ja, das Leben war wieder in Ordnung...



März 2016 Copyright by Yvonne Kunz